Freitag, 28. November 2014

La Paz - Strudel der Entropie

Achtung: viel Text...es ist viel passiert...


Am Tag nach der Wanderung stand die Fahrt nach La Paz an…höchste Millionen- und Hauptstadt von Bolivien…was hatten wir nicht alles schon an Horrorgeschichten gehört: da wird man am helllichten Tag auf offener Straße wegen Centbeträgen erschossen…kleine Kinder frisst man da und gelegentlich hat man schon Hitler und Mussolini zusammen mit Stalin dort Urlaub machen sehn…



Aber erstmal mussten wir hinkommen um uns selbst ein Bild davon zu machen… und wie sollte es anders sein: wir fuhren mit dem Bus…  auch bei dieser Überlandfahrt sahen wir wieder unendlich viele backsteinrote Rohbauten, semifertige Häuser mit Potenzial für weitere Stockwerke (um es mal euphemistisch auszudrücken) und im Grunde recht viel Müll… auch Autofahren ist in Bolivien ähnlich wie in Peru: Augen zu, Verstand aus, Hupe an und durch…und wenn man gerade Richtung Hauptstadt fährt, sind die Straßen noch verhältnismäßig gut...um nicht zu sagen "existent"...



Überraschenderweise sollten wir noch ein bisher nicht genutztes Verkehrssmittel nutzen: Bootchen fahren war angesagt…Fähre wiederrum für den Bus:



Auf diesen vollkommen vertrauenswürdig anmutenden Fähren (State of the Art versteht sich) wurde der Bus rübergeschippert…







Und hier fährt unser Teufelskerl von Busfahrer wirklich auf die Fähre…







Realistisch betrachtet hätte man erwartet, dass der Bus drauf fährt und direkt samt Fähre absäuft… aber manchmal ist die Realität vollkommen anders und Busse schwimmen… ich bin froh, in dem Universum gewesen zu sein, in dem die Kausalkette nicht meiner Erwartung entsprach (und bin gleichzeitig neugierig, was unsere kleine Reisegruppe in dem Paralleluniversum gemacht hat, in dem der Bus samt Fähre wirklich untergegangen ist…)



Das Ganze sollte laut Busfahrer zehn Minuten dauern…die sich bisher in unseren Köpfen festgefressene Routine sagte uns, dass das dann gleichbedeutend mit „20 Minuten“ ist…so sollte es dann auch kommen…



Wir warteten einfach im Chillmodus am gegenüberliegenden Ufer auf die Anschiffung des Busses: von links nach rechts: (sitzend) meinereiner, ein lebensechtes Double von B., M. und J., (liegend): ein Hund der noch ne Nummer härter gechillt hat…





Nach erfolgreichem Reboarding schraubte sich der Bus noch ein paar Höhenmeter hinauf… abermals durchquerten wir endlose Weiten…schoben sich kleine Dörfchen an unseren Fenstern vorbei und alsbald fanden wir uns in El Alto wieder… einst ein Teil von La Paz, nun eigenständig und zählt … nun ja… man weiß es nicht genau…jeden Tag strömen Scharen von Tagelöhnern hinzu… vorsichtige Schätzungen gehen von 900.000 Einwohnern aus… für chinesische Verhältnisse noch ein Dorf… klar… aber im Grunde ein Ameisenhaufen… ein ziemlich dreckiger noch dazu… alle paar Meter versuchen Menschen, ihr mühsam angebautes Obst und Gemüse zu verkaufen…die Straße hatte für beide Richtungen zwei Spuren…gefahren wurde auf fünf je Richtung… es dauerte ein wenig und schließlich öffnete sich das Loch hinterm Horizont: La Paz!








Die Stadt wurde tief unten im Tal gegründet, im Laufe der Zeit hat der ungebremste Zuzug dazu geführt, dass sämtliche Hänge –größtenteils wild- bebaut wurden…und diese Hänge erheben sich bis zu 1000m über den Stadtkern… und als sich der Bus anschickte, vom Rand dieses Kraters hinab in das wuselnde, magmatische Innere abzutauchen (man…heut bin ich aber metaphorisch…), stieg der Drang zum Druckausgleich und die Neugier gleichermaßen an…



Wir hatten Dank einer Empfehlung ein Hostel in einem angeblich sicheren Viertel bekommen…direkt an einer Seilbahnstation…







Seilbahn? Yepp! Um dem Verkehrskollaps Herr zu werden, hat man vor zwei Jahren angefangen, Seilbahnen zu bauen (gute österreichische Qualität wie man uns später nach Erfahren unserer Herkunft versicherte)



Der günstige Fahrpreis von 3 Bolivianos konnte uns nicht ansatzweise zögern lassen…wir mussten die Stadt einfach von oben sehen…







...was natürlich auch nicht immer nur schöne Aussichten bescherte...aber immerhin einen ehrlichen Blick garantierte...




Hier hat George Lucas beim Erdenken seines Stadtplaneten Coruscant sicherlich Einiges an Inspiration hergeholt…







Es ist schwer zu fassen: von einer Seite zur anderen Seite erstreckt sich vom Horizont nach unten diese Stadt… wir sind später wieder im Dunkeln die Strecke abgegondelt… von oben liegt dieses Meer aus Lichtern so ruhig unter einem…fast schon friedlich…



Wenn man aber mittendrin ist…und nur versucht, bei „grün“ (für Fußgänger versteht sich) die Straße zu überqueren, der wird schnell von der Gravitation der Realität auf den Boden der Tatsächlichkeit zurückgeholt…CHAOS!



Zwei Fahrspuren eingezeichnet, effektiv genutzt werden 17…ein Hupkonzert, das Seinesgleichen sucht…und in gewisser Weise die gelebte Rechtfertigung für das Durchsetzen von Straßenverkehrsordnungen in westlichen Ländern...



Ein Grundsatz im Universum ist, dass die Entropie (Unordnung) nur zunehmen kann (so kann beispielsweise eine Tasse zu Boden fallen und zerbrechen -> mehr Unordnung…aber nicht wieder so fallen, dass sie sich von selbst wieder zusammensetzen würde)   

95% der Unordnung im Universum kommt aus La Paz....mindestens...

Und wie bereits erwähnt: wir haben all unseren Mut zusammen genommen und sind auch im Dunkeln raus... und was ist passiert? NIX

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