Sonntag, 19. März 2017

Gipfelstürmen

Zu den Dingen die man gesehen haben sollte, wenn man in Vietnam unterwegs ist, zählen -wenn man den vielen Aussagen und tollen Fotos glaubt- die Reisterrassen im Norden des Landes. Das war auch der Grund, warum wir die Zugfahrt dorthin auf uns genommen haben. Besagte Fotos zeigen die Reisfelder allerdings meist nur dann, wenn sie in ihrer vollen Pracht und saftig grün sind. Das trifft nicht auf unsere Wintermonate zu...also allzu grün sollte es nicht werden.

Der Bus hatte uns am Marktplatz rausgeworfen und wir mussten dann noch einige hundert Meter laufen. Wenn man hungrig, müde und mit schweren Rucksäcken bepackt ist, möchte man einfach nur schnell ins Hotel...also machten wir uns direkt auf den Weg. Lessons learned an diesem Tag: es wird verdammt schnell dunkel in Vietnam und dann sehen alle Straßen und Häuser dank der überbordenden Lauflichtreklame gleich aus. Als wir nachfragten, gab keiner der Taxifahrer an, unser Hotel zu kennen...Einheimische waren ebenfalls etwas überfragt und im dritten Laden (einem Restaurant) kannte endlich jemand zumindest das Hotel. Aber anstatt uns den Weg zu erklären, hatte man uns mit Händen, Füßen und dem Google Translator erklärt, dass wir doch bitte warten sollen. Vor der Tür kam es zu aufgeregten Handytelefonaten und wenige Minuten später stand der Besitzer des Hotels mit seinem Moped vor der Tür. "Follow me! (folgt mir)" lachte er uns entgegen...ein spätes Erfolgserlebnis. Ein wahrscheinlicher Grund für die gespielte Unwissenheit der Taxifahrer: wir waren fünf Minuten vom Hotel entfernt und sind eigentlich die ganze Zeit drum herum gelaufen...auf der kurzen Strecke kann man die Touris halt schlecht abzocken ;-) 

Der Ort Sapa selbst platzt aus allen Nähten und die Cash Cow "Tourismus" wird ordenlich gemolken... jeder freie Quadratmeter wird mit Hotels zugepflastert und in den Straßen türmt sich der Bauschutt.

 

Der Blick aus dem Hotelzimmer zeigt das geschäftige Treiben auf den Straßen vor der Markthalle. Auf Grund der unsicheren Gesamtwetterlage (100% Regenwahrscheinlichkeit ab 16:00) und einigen Reisetipps haben wir uns kurzerhand entschlossen, NICHT zu wandern sondern die Reisfelder von oben zu betrachten und mit einer neu gebauten Seilbahn auf den höchsten Berg des Landes zu fahren: den Fansipan.

Das Hotel hatten wir übrigens auf Grund der äußerst positiven Bewerung eines einschlägigen Travellerportals ausgewählt. Sie besagte "weltbestes Frühstück" und eine funktionierende Heizung (letztere braucht man, denn es wird knackig kalt nachts) ... Gut gelaunt und mit einer gewissen Vorfreude auf Frühstück und den Ausflug kamen wir morgens in den Essensraum (die Rezeption) und fanden folgendes vor: ein TetraPak Milch, eine Kanne Wasser, acht Bananen und zwei Kannen Kaffee zum Frühstück.


Es war auch sonst niemand anwesend und etwas irritiert haben wir uns erstmal eine weltbeste Banane genommen und saßen etwas bedröppelt in der Rezeption...irgendwann kam dann der Chef und fragte, ob wir denn was essen wollen. Es gäbe Brot, Rührei und Kaffee. Wir bejahten und warteten gespannt. Wenige Minuten später kam dann ein ziemlich großes, frisch gebackenes Brötchen für jeden, Rührei und Kaffee. Alles sehr lecker aber vielleicht nicht ganz das weltbeste Frühstück...Fehlstart also abgewendet.

Als wir einen Taxifahrer gefunden hatten, der nicht zum Festpreis sondern mit Taximeter zur Talstation der Seilbahn gefahren ist, konnte der Ausflug endlich losgehen. Obwohl Wochenende war und wir schon ein wenig Angst hatten, dass wir ewig anstehen und in der Menge untergehen, war recht wenig Betrieb.

In der Talstation zeigte sich die übliche Opulenz bei kommunistischen Prachtbauten. Hauptsache GROSS... man hat neben die Talstation noch schnell einen Tempel gestellt - wahrscheinlich erwartet das der Tourist. (und dann laufen die einem auch noch immer ins Bild ;-) )


Was außen groß begonnen hat, setzt sich auch im Inneren fort: große Hallen, endlos anmutende Gänge, Marmor UND goldene Mülleimer:



Zu dieser allgegenwärtigen Atmosphäre eines Luxushotels gesellte sich allerdings gähnende Leere. Die Hintergrundmusik dudelt einsam vor sich hin, ab und an fegt jemand...weniger wegen des Drecks, eher um des Fegens willen... Hier der Eingangsbereich zur eigentlichen Seilbahn:
 

Da scheinen wohl die Berechnungen des Fünfjahresplans etwas optimistisch gewesen zu sein, zeitweise rechnete ich fest damit, dass ein Tumbleweed durchs Blickfeld rollt... (verfolgt von drei Leuten mit Besen...)

Wie sonst auch überall: keine Attraktion ohne den obligatorischen Souvenirshop: Von A wie "Aloevera Creme" über Fabergé Eier bis hin zu Z wie "Zauberwürfel" kann man dort alles kaufen...über Markenrechte bei so manchem Produkt kann man sicherlich streiten... macht aber keiner...

Genug Vorgeplenkel - auf in die Gondel...die wir auch fast komplett für uns hatten und die mit allen Rafinessen ausgestattet waren:  (ja, es ist eine Kotztüte...)



Während der Fahrt bereits war die Aussicht bestens: Reisterrassen von oben - zwar abgeerntet und nicht saftig grün- aber egal wenn man Reis sonst nur aus dem Kochbeutel kennt...


Zugegebenermaßen manchmal etwas trist...


...trotzdem schön anzusehen...


 Die Bergstation knüpft bautentechnisch nahtlos an die Talstation an:



Man muss bis zum Gipfel noch einige hundert (nicht wirklich DIN konforme) Stufen erklimmen. Während man das tut, wird man mit Musik beschallt - leider scheint es nur ein einziges Lied zu geben und das dudelt in Endlosschleife. Wenn man den zehnten überanstrengten Touri in Sandalen überholen muss, steigt langsam das Bedürfnis, die Lautsprecher mit einem Baseballschläger ihrer Funktion zu berauben ;-) Wenn man mal von den vielen Baustellen absieht, ist die Aussicht wirklich klasse. Man kann weit ins Tal oder noch viel weiter über die Wolken sehen. Wer möchte, kann sich eine der vietnamesischen Flaggen schnappen und mit den patriotischen Einheimischen auf dem Gipfelstein posieren...


Fertig ist die Bergstation aber noch lange nicht: überall wird gebaut um das Erlebnis "Gipfelstürmen" noch beeindruckender zu gestalten. (wem viel an Arbeitsschutz gelegen ist, der schaue sich mit Rücksicht auf den eigenen Blutdruck das folgende Bild vielleicht nicht so genau an...)


Gefegt wurde übrigens auch oben immer und überall...mit ähnlich ausbaufähiger Motivation allerdings...



Essen und Trinken kann man übrigens im weitläufgen Restaurant ebenfalls - allerdings trafen wir hier auf ein bisher nicht so präsentes Phänomen kommunistischer Länder (was man eigentlich immer nur vom Hören-Sagen kennt): nicht alles, was auf der Karte ist, kann man auch kaufen...

Fazit: das hat sich echt gelohnt und Einblicke und Ausblicke verschafft - für Rollstuhlfahrer eher nicht geeignet...





Keine Kommentare: