Samstag, 21. Juli 2018
Mittwoch, 17. Mai 2017
Ha Long Bay
Das Bild gehört zum Quasi-Standard in fast jedem vietnamesischen Restaurant: eine malerische Bucht mit smaragdgrünem Wasser, einigen verträumten Booten und es erheben sich unzählige (offiziell über 1900) steil aufragende, grüne Kalkfelsen: Ha Long Bay, UNESCO Weltkulturerbe und DER Touristenmagnet in Vietnam. Selbstverständlich wollten wir das auch sehen und so kamen wir nicht umhin, eine Schiffstour zu buchen. Wie so oft in eher weniger westlich geprägten Ländern ist die Preisangabe in Prospekten mehr als eine Art Richtlinie zu betrachten und gestaltet sich oftmals nach einem sehr einfachen "Bonus-Malus-Prinzip": Bonus für den Verkaufsagenten wenn einer den Preis ohne Verhandlung zahlt - Malus für den Touristen, der den Preis ohne Verhandlung zahlt...
Touren gibt es in jeglichen Komfortklassen - von "ohne Schwimmweste besser nicht" bis "ich bin so reich, ich pisse Glitter"...und die Prospekte und Angebote der einzelnen kleinen Geschäfte (keins davon war übrigens ein reines Reisebüro, alle waren eher Kiosk mit Schalter für Touren) waren wild bebildert mit den schönsten Panoramafotos, fröhlichen Menschen, einsamen Fischerbooten und schneeweißen Stränden... mit anderen Worten der verlängerte Arm der Vietnamrestaurantpropaganda...
Die 100€ Ganztagestour unseres 4-Sterne Hotels (man gönnt sich ja sonst nichts ;-) ) haben wir trotz überzeugenden Argumenten seitens der Hotelmannschaft dankend abgelehnt und nach einem halben Tag Schlendern an der Promenade von Tuan Chao (eine kleine Insel nördlich von Ha Long Bay, in der Nebensaison sehr ruhig und nicht überlaufen) konnten wir eine Halbtagestour dank geschicktem Taktieren ("aber zwei Häuser weiter gibts das billiger" und "oooook, wir überlegen uns das nochmal") für 30€ pro Person incl. Mittagessen und 3 Landgängen rausholen. Da die Schiffe sowieso alle mehr oder weniger gleich aussahen, war das Abenteuer besiegelt...
Fansipan Mountain durften wir noch mit gutem Wetter erleben, es holten uns aber die Wolken ein und wir begaben uns bei weniger werdendem Sonnenschein früh morgens pünktlich aufs Boot.
Fangen wir nun mal mit der Demontage der Propagandabilder von Ha Long Bay an:
1. Die Ausflugsboote sind nicht immer moderne Katamarane und trotz der Tatsache, dass man sicherlich versucht hat, ein wenig traditionelles Flair reinzubringen (oder anzuzimmern...):
Der Lack ist ab und modern ist anders - nennen wir es mal "rustikal" und mit eigenem Ameisenvolk (oder waren es Termiten...?) Auch eine halbe Stunde nach offiziellem Startzeitpunkt waren mehr Crewmitglieder als Passagiere an Bord:
Fangen wir nun mal mit der Demontage der Propagandabilder von Ha Long Bay an:
1. Die Ausflugsboote sind nicht immer moderne Katamarane und trotz der Tatsache, dass man sicherlich versucht hat, ein wenig traditionelles Flair reinzubringen (oder anzuzimmern...):
Der Lack ist ab und modern ist anders - nennen wir es mal "rustikal" und mit eigenem Ameisenvolk (oder waren es Termiten...?) Auch eine halbe Stunde nach offiziellem Startzeitpunkt waren mehr Crewmitglieder als Passagiere an Bord:
...und innen sah es ein bisschen aus wie in einem Asia-Restaurant - die idyllische Einsamkeit ist nicht gestellt - wir hatten das Boot für uns allein...
Eine verspätete -höchst wahrscheinlich japanische- Familie mit zwei kleinen Kindern gesellte sich dann letztlich doch noch zu uns und mit 6 Gästen an Bord legten wir ab.
Natürlich waren die Wolken genau über der Bucht versammelt...
Fakten - Fakten - Fakten:
2. Es ist nicht ganz so malerisch wie es auf den Bildern wirkt - im Gegenteil: das Prinzip der massiv überfüllten Straßen der Großstädte setzt sich hier fort: Gleich am ersten Stopp bereits 26 Boote vor Ort - und alle wesentlich voller als unsere Nussschale...
Auf dem Weg dorthin wurden wir übrigens von der unheimlich freundlichen japanischen Familie adoptiert und mit leckeren Schokowaffeln versorgt - teilweise spielte der Vater auch Dolmetscher von "vietnamesisch-englisch" in "mehr-englisch"...
Besagter erster Stopp war eine Höhle, deren Inneres bunt beleuchtet wurde (der Tourist mag das so):
Das ganze war schon recht imposant, allerdings auch (man erinnere sich an die 26 anderen Boote) recht überfüllt und gewisse Verbote waren recht ... naja... "kreativitätsberaubend".
Für die komplette Tour durch die Höhle hatten wir sportliche 30 Minuten Zeit und mussten unser Schiff (welches -Uniformität sei Dank- etwa genauso aussah wie alle 26 anderen) auch am Ende an anderer Stelle wieder finden...Orientierungs- und Schiffwiederfindetraining: Haken dran! Dann ging es tuckernd weiter...
Stopp Numero Zwo bot interessierten Gästen die Möglichkeit für viel Geld mit abgeranzten Kanus eine Paddeltour um die naheliegenden Felsen zu machen. Da weder Corinna noch ich Lust auf Paddeln hatten, wir aber warten mussten, bis unsere neue Familie wieder von selbiger Aktivität zurück kam, genossen wir das Panorama auf dem Sonnendeck...auch ohne Sonne. Man gab unserer neuen Familie genau 30 Minuten Zeit zum Paddeln...
Die anfangs etwas distanzierte Crew wurde mit der Zeit immer zutraulicher und unser erster Offizier, Ingenieur (wie gesagt: alles was fährt oder schwimmt hat in Vietnam jemanden an Bord, der es reparieren kann) UND Koch hat mir dann mit nicht zu übersehendem Stolz erzählt, dass in diesem Gebiet sehr viele Filme gedreht wurden. Unter anderem der sehr berühmte "Chi Chong". In meiner bekannt liebenswürdigen Art nickte ich anerkennend und erfuhr auch, dass es einzelne Felsen auch auf die hiesige Währung geschafft hatten.
Günther Jauch WWM Faktenwissen: Check!
Stopp Numero Drei sollte an der schönsten Insel in der ganzen Bucht stattfinden, Traumstrand und unvergesslicher Ausblick von der Panoramaplattform auf dem Gipfel...das weckte eine gewisse Erwartungshaltung...all das durften wir erleben in (ja richtig...) 30 Minuten....
Fahren wir fort mit der Demontage der Werbebroschüren:
3. die Strände sind alles andere als schneeweiß und nicht mit sportiven Menschen bevölkert, die Beachvolleyball spielen...
Genauer gesagt hatte die Sportausrüstung am Strand ihre besten Jahre schon hinter sich - vielleicht eine Art Freilichtmuseum der späten 70er...
...und am Strand fand sich diese -wahrscheinlich japanische- Gesangs- und Tanzgruppe ein...
Wenn man kein Wort versteht, wirkt das auf den kulturbanausen Zuschauer ähnlich wie das Wasserpuppentheater...nur weniger dramatisch...
Wir nahmen dann noch die etwa 500 Stufen bis zur Aussichtsplattform mit sportlicher Eleganz und Leichtigkeit im Aufstieg (...) und wurden dafür -trotz bescheidenen Wetterverhältnissen- mit einem wirklich tollen Ausblick belohnt:
Wie man sieht, kann man tatsächlich Bilder machen, auf denen es aussieht, als wäre NICHTS los in der Gegend ;-) könnte aber auch am schlechten Wetter gelegen haben...
Nach dem Stopp auf der Insel gab es Mittagessen an Bord. Da wir zu Beginn der Fahrt die Küche unauffällig in Augenschein genommen hatten, stand die Überlegung im Raum, ob wir überhaupt was essen - glücklicherweise haben wir uns doch dazu durchgerungen...es war neben den Suppen in Ho-Chi-Minh City das beste Essen der ganzen Reise. Frischer Fisch, frische Muscheln, Wasserspinat, Reis und Gemüse mit scharfer Soße. Traumhaft!!!
Danach war dann für die Crew mehr oder weniger Feierabendstimmung angesagt: der Kollege am Steuer hörte Musik, das gelbe auf dem folgenden Foto ist eine Bierdose und mit den Füßen auf dem Steuerrad lenkte er uns nach Hause...
Übrigens: alle vorab geäußerten Bedenken waren grundlos: das Schiff hatte noch TÜV...
Und nochmal zum Thema "Massentourismus": auf dem Weg zurück in den Hafen war es schon wieder recht voll... nach ca. 30 Schiffen hab ich aufgehört zu zählen...
Zu guter letzte hatte mir dann unser neuer Ziehvater die Sache mit den Filmen nochmal verständlich erklärt: Der berühmte Film, der dort gedreht wurde, war "King Kong"... wieder was gelernt - sowohl Faktenwissen wie auch Hörverständnis...
Fazit: schön wars - aber: wie überall wo in Vietnam Touristen hingekarrt werden, gab es auch hier auf jeder Insel etwa drei Souvenierläden und dort überteuerte Verpflegung und wertlosen Ramsch zu kaufen, das Wasser um die Inseln ist nicht mehr wirklich sauber und die Inseln selbst vermüllen zunehmnd...vielleicht sollte man es machen wie Peru mit Machu Picchu und nur noch eine begrenzte Anzahl an Touristen pro Tag zulassen...dann hat man bestimmt noch ein bisschen länger an diesem Fleckchen Erde...Man muss hier nicht viel Geld ausgeben, um ein kleines Abenteuer zu erleben.... :-)
Sonntag, 19. März 2017
Gipfelstürmen
Zu den Dingen die man gesehen haben sollte, wenn man in Vietnam unterwegs ist, zählen -wenn man den vielen Aussagen und tollen Fotos glaubt- die Reisterrassen im Norden des Landes. Das war auch der Grund, warum wir die Zugfahrt dorthin auf uns genommen haben. Besagte Fotos zeigen die Reisfelder allerdings meist nur dann, wenn sie in ihrer vollen Pracht und saftig grün sind. Das trifft nicht auf unsere Wintermonate zu...also allzu grün sollte es nicht werden.
Der Bus hatte uns am Marktplatz rausgeworfen und wir mussten dann noch einige hundert Meter laufen. Wenn man hungrig, müde und mit schweren Rucksäcken bepackt ist, möchte man einfach nur schnell ins Hotel...also machten wir uns direkt auf den Weg. Lessons learned an diesem Tag: es wird verdammt schnell dunkel in Vietnam und dann sehen alle Straßen und Häuser dank der überbordenden Lauflichtreklame gleich aus. Als wir nachfragten, gab keiner der Taxifahrer an, unser Hotel zu kennen...Einheimische waren ebenfalls etwas überfragt und im dritten Laden (einem Restaurant) kannte endlich jemand zumindest das Hotel. Aber anstatt uns den Weg zu erklären, hatte man uns mit Händen, Füßen und dem Google Translator erklärt, dass wir doch bitte warten sollen. Vor der Tür kam es zu aufgeregten Handytelefonaten und wenige Minuten später stand der Besitzer des Hotels mit seinem Moped vor der Tür. "Follow me! (folgt mir)" lachte er uns entgegen...ein spätes Erfolgserlebnis. Ein wahrscheinlicher Grund für die gespielte Unwissenheit der Taxifahrer: wir waren fünf Minuten vom Hotel entfernt und sind eigentlich die ganze Zeit drum herum gelaufen...auf der kurzen Strecke kann man die Touris halt schlecht abzocken ;-)
Der Ort Sapa selbst platzt aus allen Nähten und die Cash Cow "Tourismus" wird ordenlich gemolken... jeder freie Quadratmeter wird mit Hotels zugepflastert und in den Straßen türmt sich der Bauschutt.
Der Blick aus dem Hotelzimmer zeigt das geschäftige Treiben auf den Straßen vor der Markthalle. Auf Grund der unsicheren Gesamtwetterlage (100% Regenwahrscheinlichkeit ab 16:00) und einigen Reisetipps haben wir uns kurzerhand entschlossen, NICHT zu wandern sondern die Reisfelder von oben zu betrachten und mit einer neu gebauten Seilbahn auf den höchsten Berg des Landes zu fahren: den Fansipan.
Das Hotel hatten wir übrigens auf Grund der äußerst positiven Bewerung eines einschlägigen Travellerportals ausgewählt. Sie besagte "weltbestes Frühstück" und eine funktionierende Heizung (letztere braucht man, denn es wird knackig kalt nachts) ... Gut gelaunt und mit einer gewissen Vorfreude auf Frühstück und den Ausflug kamen wir morgens in den Essensraum (die Rezeption) und fanden folgendes vor: ein TetraPak Milch, eine Kanne Wasser, acht Bananen und zwei Kannen Kaffee zum Frühstück.
Es war auch sonst niemand anwesend und etwas irritiert haben wir uns erstmal eine weltbeste Banane genommen und saßen etwas bedröppelt in der Rezeption...irgendwann kam dann der Chef und fragte, ob wir denn was essen wollen. Es gäbe Brot, Rührei und Kaffee. Wir bejahten und warteten gespannt. Wenige Minuten später kam dann ein ziemlich großes, frisch gebackenes Brötchen für jeden, Rührei und Kaffee. Alles sehr lecker aber vielleicht nicht ganz das weltbeste Frühstück...Fehlstart also abgewendet.
Als wir einen Taxifahrer gefunden hatten, der nicht zum Festpreis sondern mit Taximeter zur Talstation der Seilbahn gefahren ist, konnte der Ausflug endlich losgehen. Obwohl Wochenende war und wir schon ein wenig Angst hatten, dass wir ewig anstehen und in der Menge untergehen, war recht wenig Betrieb.
In der Talstation zeigte sich die übliche Opulenz bei kommunistischen Prachtbauten. Hauptsache GROSS... man hat neben die Talstation noch schnell einen Tempel gestellt - wahrscheinlich erwartet das der Tourist. (und dann laufen die einem auch noch immer ins Bild ;-) )
Was außen groß begonnen hat, setzt sich auch im Inneren fort: große Hallen, endlos anmutende Gänge, Marmor UND goldene Mülleimer:
Zu dieser allgegenwärtigen Atmosphäre eines Luxushotels gesellte sich allerdings gähnende Leere. Die Hintergrundmusik dudelt einsam vor sich hin, ab und an fegt jemand...weniger wegen des Drecks, eher um des Fegens willen... Hier der Eingangsbereich zur eigentlichen Seilbahn:
Da scheinen wohl die Berechnungen des Fünfjahresplans etwas optimistisch gewesen zu sein, zeitweise rechnete ich fest damit, dass ein Tumbleweed durchs Blickfeld rollt... (verfolgt von drei Leuten mit Besen...)
Wie sonst auch überall: keine Attraktion ohne den obligatorischen Souvenirshop: Von A wie
"Aloevera Creme" über Fabergé Eier bis hin zu Z wie "Zauberwürfel" kann
man dort alles kaufen...über Markenrechte bei so manchem Produkt kann
man sicherlich streiten... macht aber keiner...
Genug Vorgeplenkel - auf in die Gondel...die wir auch fast komplett für uns hatten und die mit allen Rafinessen ausgestattet waren: (ja, es ist eine Kotztüte...)
Während der Fahrt bereits war die Aussicht bestens: Reisterrassen von oben - zwar abgeerntet und nicht saftig grün- aber egal wenn man Reis sonst nur aus dem Kochbeutel kennt...
Zugegebenermaßen manchmal etwas trist...
...trotzdem schön anzusehen...
Die Bergstation knüpft bautentechnisch nahtlos an die Talstation an:
Man muss bis zum Gipfel noch einige
hundert (nicht wirklich DIN konforme) Stufen erklimmen. Während man das
tut, wird man mit Musik beschallt - leider scheint es nur ein einziges
Lied zu geben und das dudelt in Endlosschleife. Wenn man den zehnten
überanstrengten Touri in Sandalen überholen muss, steigt langsam das
Bedürfnis, die Lautsprecher mit einem Baseballschläger ihrer Funktion zu
berauben ;-) Wenn man mal von den vielen Baustellen absieht, ist die
Aussicht wirklich klasse. Man kann weit ins Tal oder noch viel weiter
über die Wolken sehen. Wer möchte, kann sich eine der vietnamesischen
Flaggen schnappen und mit den patriotischen Einheimischen auf dem
Gipfelstein posieren...
Fertig ist die Bergstation aber noch lange nicht: überall wird gebaut um das Erlebnis "Gipfelstürmen" noch beeindruckender zu gestalten. (wem viel an Arbeitsschutz gelegen ist, der schaue sich mit Rücksicht auf den eigenen Blutdruck das folgende Bild vielleicht nicht so genau an...)
Gefegt wurde übrigens auch oben immer und überall...mit ähnlich ausbaufähiger Motivation allerdings...
Essen und Trinken kann man übrigens im weitläufgen Restaurant ebenfalls - allerdings trafen wir hier auf ein bisher nicht so präsentes Phänomen kommunistischer Länder (was man eigentlich immer nur vom Hören-Sagen kennt): nicht alles, was auf der Karte ist, kann man auch kaufen...
Fazit: das hat sich echt gelohnt und Einblicke und Ausblicke verschafft - für Rollstuhlfahrer eher nicht geeignet...
Sonntag, 5. Februar 2017
Trainspotting (nein...nicht der Film)
Auch in diesem Urlaub musste eine Zugfahrt auf dem Programm stehen ;-)
Erst etwas Text, dann die Fotos...
Um der Hektik der Großstadt zu entkommen, planten wir eine Zugfahrt nach Sapa im Norden Vietnams. Dort findet man die durch unzählige, prächtig grün-schimmernde Fotos berühmt gewordenen Reisterrassen. Das wollten wir auch mal mit eigenen Augen sehen. Der Plan sah vor, mit einem Nachtzug hinzufahren, zwei Tage zu bleiben und dann wieder zurück nach Hanoi. Wie das allerdings so oft mit Plänen ist, kommt es erstens anders und zweitens als man denkt. Trotz Onlinebuchung und Vorlauf von drei Tagen war die Fahrt im Orient Express (man gönnt sich ja sonst nix) ausgebucht und den normalen Schlafwagen wollten wir uns nicht geben. Fast ausnahmslos wurde von nächtlichen Besuchen diverser Krabbeltierchen berichtet, vom "Komfort" einer 10cm Schaumstoffmatratze mal abgesehen... Die Notlösung bestand dann aus einer Fahrt mit dem Tageszug: neun Stunden lang der Landschaft zuschauen, die am Fenster vorbeizieht...was fürs Auge halt...
Tickets kann man unkompliziert im Bahnhof mit persönlicher Beratung kaufen, man muss nur verstehen, dass der Ticketschalter ein einfacher Schreibtisch in einer riesigen Halle ist...nichts deutet auf den Verkauf hin und bei Platzproblemen wird man auch einfach mal auf die Seite des Verkäufers gesetzt und wartet, bis die Kunden vor einem fertig bedient wurden. Für wenige Euro haben wir uns dann Tickets für die "Soft Seat" Klasse entschieden, was in etwa der ersten Klasse entsprechen sollte... In Vietnam muss man 30 Minuten vor Abfahrt am Zug sein, was für uns bedeutete, dass wir um kurz nach fünf aus dem Hotel raus mussten und mit dem Taxi an den Bahnhof mussten. Soweit der Plan... (ich verweise nochmal auf die Aussage von weiter oben...) Am Vorabend haben wir alle Check-out Formalitäten im Hotel erledigt und der netten Dame am Empfang auch direkt gesagt, dass wir ein Taxi für viertel nach fünf zum Bahnhof brauchen. Zweimaliges Rückversichern und -fragen brachte immer wieder ein "ja, geht klar" als Antwort.
Nächster Morgen, kurz nach fünf...wir schleichen die spärlich beleuchteten Gänge des Hotels entlang und kommen zur Rezeption... doch dort wo am Vorabend noch die Rezeption war, ist nun eine Garage für ca. 15 Roller und die Nachtwache schläft auf der Couch. Natürlich stand auch kein Taxi vor der Tür und wartete auf uns. Sichtlich verwirrt und verschlafen gab der junge Mann von der Nachtwache zu verstehen, dass er nichts von einem Taxi wüsste...er zückte aber sogleich sein Handy und telefonierte aufgeregt ein paar Minuten und versprach uns dann, dass das Taxi unterwegs sei und wir uns keine Sorgen machen sollten... Irgendwie beruhigte uns das nicht wirklich...Umso größer war dann die Erleichterung, als tatsächlich wenige Minuten später ein Taxi angebraust kam und uns einsammelte und zum Bahnhof brachte...
Unter- oder Überführungen hat man beim Bau des Bahnhofs eingespart - kurzer Blick nach links und rechts - kein Zug der gerade dort fährt wo man das Gleis überqueren will - los gehts ... fünf Gleise sind kein Problem und der Zug stand auch schon am Bahnsteig bereit...
Beim Einstieg wollte man uns noch ein Schlafwagenabteil andrehen, aber ein kurzer Blick hinein reichte, um das Angebot dankend abzulehnen...
Die gebuchte erste Klasse versprühte ein wenig 70er Jahre Kunstledercharme und war im Vergleich zur zweiten Klasse die deutlich bessere Wahl...
erste Klasse mit Klimaanlage:
zweite Klasse mit Deckenventilatoren:
Die Fahrt führte uns zuerst am Rande der Altstadt quasi durch die Wohnzimmer und Küchen der Einwohner. Die Häuser waren so nahe am Gleis gebaut, man könnte durch ein offenes Fenster im Vorbeifahren einen Kaffee vom Tisch klauen...danach ging es über die Long Bien Brücke, von der aus man eine tolle Sicht zurück auf die Stadt hatte...wenn man nicht wie ich die Bilder EXAKT im Rhythmus des Stahlfachwerkes macht und auf fast jedem Bild einen Pfeiler hat. Üppige Vegetation direkt an der Grenze zur Stadt:
Wir fuhren der Sonne entgegen, die sich sichtlich mühte, die morgendliche Dunstglocke der Großstadt zu durchbrechen...von weitem und aus der Gemütlichkeit des knautschigen Kunstledersessels auf Rädern sieht die Stadt fast schon friedlich aus... (Spoileralarm: das täuscht...)
Die nicht ganz so moderne Technik lässt den Reisenden auch in Genüsse kommen, die man in Deutschland fast nirgends mehr in den vollklimatisierten Zügen findet: man kann die Fenster öffnen und den Kopf auch mal in den Fahrtwind halten:
Ich bin ein paar Mal durch den Zug gelaufen...nach drei Stunden muss man sich auch mal die Beine vertreten... die Einheimischen, die später an den Unterwegshalten noch zugestiegen sind, waren manchmal etwas irritiert, dass sich ein westlicher Reisender in ihren Wagen verirrt...nur die Kinder haben immer freundlich gewunken...
Zurück im Touristenwagen wechselte plötzlich die Temperatur recht schnell von "wir kochen einen Tee ohne Wasserkocher" bis hin zu "den Tee, den wir eben kochen wollten, können wir jetzt am Stiel lutschen" - offensichtlich hat die Klimaanlage einen kleinen Schaden gehabt...
Eine Sache, die mir in Vietnam aufgefallen ist: fast jedes Verkehrsmittel hat seinen eigenen Mechaniker mitgeführt ... löbliche Ausnahme: Flugzeuge...da sind sie vor dem Start wieder ausgestiegen (was einen zu der Frage bewog "steigen die wieder aus, weil sie genau wissen, dass das besser für ihre Gesundheit ist oder steigen die aus, weil die Kiste so gut in Schuss ist?")
Irgendwann hat auch das Zugpersonal mitbekommen, dass da was faul ist und sie haben ihren Scotty losgeschickt, um das Schiff...äh...die Klimaanlage wieder fit zu machen... Auch was fürs Auge...
Auf dem Bild ist eine weitere Eigenart der Vietnamesen zu erkennen: sie stellen oder legen prinzipiell IMMER ihre nackten Füße irgendwo drauf...eh man sichs versieht, hat man nen fremden Fuß auf seiner Armlehne neben sich...ein Fest für Fußfetischisten...aber sonst...eher nicht so...
Landschaftlich veränderte sich das Bild je weiter wir nach Norden kamen: Berge tauchten am Horizont auf und bremsten die Wolken aus:
Abschied vom Zug, die chinesische Ingenieurskunst hat uns sicher bis fast ans Ziel gebracht:
Der Zug fährt nämlich nicht ganz bis nach Sapa, sondern nur bis Lao Cai, einer kleinen Stadt an der chinesischen Grenze, etwa 30 km vom Ziel entfernt. Die restlichen Kilometer muss man mit dem Bus zurücklegen. Natürlich gibt es auch hier mehrere Anbieter und die Preisverhandlungen sind recht intensiv...am Ende fanden wir uns in einem Minibus wieder, der scheinbar auch gleichzeitig Aufgaben der Post und des Paketdienstes übernimmt: alle paar Meter spring der Kollege des Fahrers aus dem Bus (natürlich während der Bus noch fährt) und sammelt Pakete und Briefe ein und springt mit diesen wieder zurück in den meist immer noch fahrenden Bus. Manchmal springen auch weitere Fahrgäste auf... C. bemerkte passenderweise, dass im Grunde nur noch fehlte, dass wie in einem Computerspiel bei jedem neuen Paket das "Ka-tsching" Geräusch einer Kasse ertönt und eine pixelige "1000" oder ein ebensolches "$" aufsteigt...
Irgendwann ist aber dann auch der größte Minibus mit dem doppelten der zugelassenen Menge an Fahrgästen und Fracht gefüllt, einzig die obligatorischen Ziegen und Hühner fehlten...ich saß neben einem alten Mann, der in einem Plastikbeutel lebende Fische transportierte, meine Füße ruhten auf einer Kiste Töpfe und mein Rucksack verhinderte, dass ich trotz immenser Fliehkräfte auch nur einen Millimeter bewegt wurde...
...Fliehkräfte?
Das im ersten Beitrag zur Reise beschriebene Verkehrsverhalten ändert sich auch in den Bergen nicht: eine Straße, zwei Spuren, drei Fahrzeuge nebeneinander, vier Meter Sicht bis zur nächsten Kurve, aber trotzdem mit 80 außen überholen und hoffen, dass die Hupe erhört wird und der entgegenkommende 40-Tonner schneller bremst...auch hier besteht wieder das Potenzial, dass Freunde eines geordneten Straßenverkehrs in unkontrollierte Schnappatmung verfallen und verkrampft ihre Fingernägel irgendwo hineinbohren... in der Hoffnung auf sicheren Halt...
Abonnieren
Posts (Atom)