Donnerstag, 29. Dezember 2016

Großstadtgeflüster: Hanoi

Hanoi - die Hauptstadt Vietnams war nach einer ersten Nacht in Ho Chi Minh Stadt der erste Ort, an dem wir uns länger aufgehalten hatten. "Geflüster" ist zugegebenermaßen ein wenig irreführend...geflüstert wird prinzipiell nie und leise wird es erst recht nie in der Stadt.

Abseits eines lebhaften Straßenverkehrs besteht Hanoi aus einer ausgewogenen Mischung zwischen kommunistischen Prunkbauten, alten Häusern aus der Kolonialzeit und Plattenbauten. Dazwischen immer mal wieder ein Tempel oder Park. Die Franzosen haben der Stadt auch eine recht große Kathedrale spendiert, welche mitten in der Altstadt steht. In Laufreichweite zu ebendieser Kapelle lag dann auch unser Hotel... Das "Impressive Hotel" empfing uns freundlich und aufgeräumt. Was allerdings auch "impressive" war, war der Baulärm, welcher vom Nachbarhaus ertönte...zusammen mit den Vibrationen des Presslufthammers war ab 8 Uhr morgens nicht mehr an Schlaf zu denken...und das, nachdem man um 5 schon von den Glocken der Kathedrale zum Morgengebet gebimmelt wurde...und die fleißigen asiatischen Arbeitsbienchen legten in der Regel auch das Werkzeug nicht vor 18 Uhr wieder aus der Hand. Gut, dass wir uns meist draußen aufgehalten hatten...

Zentraler Anlaufpunkt in der Altstadt ist der Hoan Kiem See mit seinen schön hergerichteten Uferpromenaden:


Eigentlich ganz nett anzusehen, allerdings schien die Wasserqualität nicht gut gewesen zu sein, viele Fische dümpelten am Ufer tot an der Wasseroberfläche.

Laut Reiseführer ein Event, das man gesehen haben muss: Das Wasserpuppentheater. Hatte ich noch nie vorher von gehört - aber ich bin ja offen für Neues... Man muss sich das ganze wie einen großen Pool vorstellen, an einer Seite sitzen die Zuschauer, an den drei anderen Seiten sitzen die Puppenspieler gut versteckt und bewegen die Figuren auf und im Wasser. So kam es, dass C. und ich in den Genuss einer -laut Ansagerin- ganz speziellen Vorführung des Wasserpuppentheaters kamen....NUR für die anwesenden Gäste...das war dann auch das letzte, was wir für die folgenden 45 Minuten verstanden haben - die Vorführung war komplett in Landessprache gehalten. 


Ich konnte der Handlung nicht immer ganz folgen, glaube aber, dass es eine sehr dramatische Geschichte über harte Arbeit, Natur, Leben und Sterben, Seefahrt, Reisanbau, Fische und Katzen war...Ach ja...und Drachen! (ganz wichtig!) Auch wurde nicht an den Spezialeffekten gespart: Pyrotechnik war bei jeder zweiten Szeme im Einsatz.

Nach der Vorstellung wanderten wir noch ein wenig am Ufer des Hoan Kiem Sees entlang, dessen Bauwerke und Brücken im Dunkeln stimmungsvoll beleuchtet werden. Hier wurde zum ersten Mal sehr deutlich, dass die Vietnamesen ein Faible für LEDs und Lichterketten haben. 


Am folgenden Tag besuchten wir den Tempel der Literatur, welcher die erste Akademie des Landes war. Dort lehrte man zwischen 1076 und 1915 das umfangreiche Wissen des Konfuzius. Die Anlage besteht aus mehreren Höfen mit Seen und Gebäuden und war auf Grund einer Abschlussfeier einer Schule und mehreren Hochzeiten an diesem Tag ziemlich gut besucht.


Im Hauptgebäude sind verschiedene Statuen untergebracht, die Konfuzius und seine besten Schüler darstellen. Diesen spirituellen Ikonen werden regelmäßig Opfergaben gebracht. Wie man auf dem Foto erkennen kann, halten es die meisten Vietnamesen dabei eher pragmatisch und stellen den Stein gewordenen Herren auch mal eine Schachtel Kekse hin. 


Und mit dieser geschickten Überleitung zum Thema "Essen" hier ein Foto eines landestypischen Restaurants: ("bia" ist übrigens das Wort für "Bier")


Die kleinen Plastikhocker sind Standard, serviert und teilweise gekockt wird auf der Straße...wenn man die wahre vietnaesische Küche erleben will, muss man in so einem Laden essen. Natürlich gibt es auch Restaurants mit westlich geprägter Einrichtung, richtigen Stühlen und Tischen und auch Burger King und Co. haben mittlerweile ihren festen Platz im Straßenbild. Wir sind allerdings nicht um die halbe Welt geflogen, um einen Big King zu essen...also waren wir in einem Restaurant, welches Reisröllchen serviert. Diese bestehen aus einem hauchdünnen Teig aus Reis und werden mit Hackfleisch und/oder anderen Sachen gefüllt und es gibt verschiedene Soßen als Dip. LECKER!!! Und man kann direkt in die Küche schauen und mitansehen, wie die Leckereien zubereitet werden. Auf dem Foto sieht man, wie gerade der Teig vom Ofen genommen wird und gleich auf dem Holzbrett gefüllt und gerollt wird.


Einziger kleiner Kritikpunkt: Die bereits angesprochenen landestypischen kleinen Plastikhocker als Tisch und Stuhl. Diese Dinger sind vielleicht zu gebrauchen, wenn man nur 1,65 groß ist, aber meine Füße sind länger als die Hocker hoch sind. Dementsprechend schlecht habe ich gesessen.

Einmal pro Woche ist Mitternachtsmarkt in einer Straße nördlich von der Altstadt. Ich war neugierig, was es da so alles gibt und hoffte auf allerhand exotische Waren... Die etwas enttäuschende Antwort: "nur billigen Krempel" - von Mode über Spielwaren bis hin zu Essen und Trinken - zugeschnitten auf den knauserigen Touristen, der neben einer "Rollex" auch noch einen "Cmap David" Pullover sucht... Aus diesem Grund waren wohl auch fast nur Touristen in der Gasse unterwegs. 


Die Händler waren auch nicht sonderlich erfreut darüber, wenn jemand Fotos von ihren Ständen gemacht hat...nicht unbedingt ein Indiz dafür, dass die angebotenen Waren astrein waren. Ein Foto hab ich dann aber doch heimlich gemacht: schwimmt mit auf der Welle der coolen Nerds...aber...


...Comicfans müssen jetzt ganz stark sein:

 
Über den Verkehr in den Städten hatte ich ja bereits geschrieben, so war es umso angenehmer, einmal durch die Straßen zu gehen, ohne permanent von motorisierten Verkehrsteilnehmern umgeben zu sein:

Zum Abschluss des Abends gab es noch ein kleines Konzert von einheimischen Rock-Fans mit Klassikern wie "Hotel California" und "Jailhouse Rock"
 

Zum Abschluss noch ein Foto vom Wäscheschrank des Hotels: hier ist die Welt noch in Ordnung, hier wird noch mit Gift geputzt - entfernt wirklich alles...


Dank den Empfehlungen aus dem Reiseführer nun zu den Dingen die man in Hanoi noch machen kann: abwarten und Tee trinken...

In meinem Falle ein "Drachenaugentee" - das einzige auf der Karte, von dem ich so gar keine Ahnung hatte, was auf mich zukommt... und weil ich neugierig bin, hab ich es bestellt, ein paar Sprüche gemacht, wieviele Augen denn am Ende in meiner Tasse schwimmen werden und letztendlich kurz gestutzt, als dann tatsächlich kleine Kugeln im Tee waren... es könnten Litschis gewesen sein... (wenn nicht - dann waren die Augen überraschend lecker...)

Es gibt auch einen Laden, der Eierkaffee anbietet: klassischer Kaffee, darin Milch, drei Eiswürfel und ein rohes Ei... vermischen und fertig... und ja ich, der sonst keinen Kaffee trinkt, habe es probiert und für trinkbar befunden ;-)

Auch ein Abenteuer: Bus fahren... C. war irgendwann der Verkehr zuviel und statt Laufen wollten wir einen Bus nehmen. An einer sehr großen Bushaltestelle warteten wir auf den richtigen Bus (den wir mit Hilfe des Reiseführers und unserer ausgezeichneten Orientierung gefunden hatten). Während der Wartezeit kamen immer wieder Einheimische und wollten uns mit dem Mopedtaxi irgendwo hinfahren. Interessanterweise wollte man uns auch glaubhaft machen, dass der Bus nicht fährt...während hinter uns Bus um Bus angerauscht kam... netter Versuch...5 Minuten und 20 ct später waren wir im richtigen Bus...
 
Zu erwähnen wäre noch die hohe Militärpräsenz in der Stadt. Überall Uniformierte...unter deren strengen Augen das öffentliche Leben abläuft. Wir kamen nur einmal direkt in Kontakt mit ihnen: Unser Hotel hatte uns eine Stadtkarte gegeben, auf der nicht alle Straßen eingezeichnet waren... was dazu führte, dass wir auf einmal mitten in der Stadt vor einer Kaserne standen und laut Karte eigentlich woanders sein sollten. Da der gemeine Mann generell nie nach dem Weg fragt, bin ich jede mögliche Straße im Umkreis auf der Suche nach Straßenschildern abgelaufen... C. hingegen hat es gleich richtig gemacht: einfach einen der doch sehr freundlichen Soldaten nach dem Weg fragen. So fanden wir dann auch wieder den richtigen Weg zurück zum Hotel.

Samstag, 3. Dezember 2016

Entropie reloaded

URLAUB! ENDLICH! 

Dieses Mal wieder in Asien und auch dieses Mal bin ich nicht allein unterwegs. Mit einer langjährigen Freundin, nennen wir sie aus Gründen des Datenschutzes "C.", mache ich mich auf die Reise nach Vietnam...

Vietnam...Land auf dem Sprung...Perle Indochinas...Abenteuer...Viele Beschreibungen treffen auf das zu, was einen erwartet...

Bevor ich zu den einzelnen Orten der Reise komme, fange ich mit ein paar allgemeinen Punkten an...

Aus der fanzösischen Kolonialzeit ist neben vielen Gebäuden auch die Schrift erhalten geblieben: als einziges Land in Asien verwendet man hier romanische Buchstaben. Diese werden mit diversen Akzenten und Stimmhöhenangaben versehen, man scheitert hier beim ersten Versuch der korrekten Aussprache kläglich. Trotzdem erleichtert es einem die Orientierung ungemein.

2014 habe ich aus La Paz (Bolivien) geschrieben, dass dieser Ort die Quelle aller Unordnung auf der Welt sein muss... wie sagt man im Englischen so schön "little did I know" (ich hatte ja keine Ahnung) ... gegen den Straßenverkehr in Hanoi oder Ho Chi Minh Stadt war Südamerika regelrecht Kindergarten. Die großen Städte bestehen im wesentlichen aus Mopeds...egal was man an anderer Stelle sehen/lesen kann - Mopeds und Roller überall. Unbestätigten Gerüchten zufolge kommen auf 90 Millionen Einwohner 60 Millionen angemeldete (!) Roller...merkt man...irgendwie...



 Hier lauern sie schon in der Seitenstraße:

  
Baustelle? Straße gesperrt? Kein Problem - für was gibt es den Bürgersteig? Rollerfahrer sind auch nur Bürger auf einem Roller...


In den seltenen Fällen, in denen so ein Moped mal nicht zum Fahren genutzt wird, ist es auch eine bequeme Liege:


Wenn man mal von diesem Sonderfall absieht, dienen die Zweiräder vornehmlich der Fortbewegung, aber auch dem Transport von allen (wirklich ALLEN) möglichen Gegenständen. Hier eine kleine Liste dessen, was transportiert wurde:
  • eine weitere Person
  • zwei weitere Personen
  • drei weitere Personen
  • vier weitere Personen
  • aus Platzgründen lasse ich das Hochzählen...bis zu 40 Hühner
  • bis zu drei Hunde
  • eine Suppenküche
  • geschätzte drei Tonnen Bauschutt
  • mehrere Fenster
  • ein halber Blumenladen
  • eine lebende Kuh
  • Werbetafeln

Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit...leider kamen wir nicht dazu, Fotos davon zu machen, das ging alles viel zu schnell...

Und als wäre das nicht schon genug, quälen sich zwischendrin  Autos, Busse und Lastwagen durch die Gassen. Dem gestressten Ohr fällt direkt auf: die Hupe wird hier pausenlos genutzt. Als Deutscher, der mit einem halbwegs geordneten Straßenverkehr aufgewachsen ist, muss man auf den Straßen einer vietnamesischen Großstadt alles über Bord werfen, was einem in der Heimat zeitlebens im Elternhaus, der Schule und der Fahrschule eingemeißelt wurde.
Während das Betätigen der Hupe in Deutschland meistens dazu dient, in Verbindung mit allerlei verbalen Stilblüten ("Arschloch" etc.) und wildem Gestikulieren (u.a. dem internationalen Zeichen für "ich bin wenig erfreut über dein Handeln", dem Mittelfinger) dem Rivalen im Straßenverkehr sein (subjektives) Fehlverhalten zu verdeutlichen, bedeutet Hupen in Vietnam "Achtung, ich bin auch noch da". Da hier jeder fährt wie er will, ist das auch gar nicht mal so schlecht für die Rollerfahrer.

Damit dies alles ohne Probleme läuft, braucht es natürlich auch feste Regeln:

1) Es herrscht Rechtsverkehr - theoretisch - dient aber nur als grobe Orientierungshilfe, denn wenn es schnell gehen muss, wird auch schonmal unter Hupen auf der falschen Straßenseite gefahren 

2) Es gibt eine fest eingezeichnete Anzahl von Fahrspuren - diese stellt allerdings nur das Minimum dessen dar, was in der Praxis umsetzbar ist. In der Regel fahren bei zwei Spuren je Fahrtrichtung vier Autos und mindestens genauso viele Mopeds nebeneinander (unter eifriger Nutzung von Regel 1 versteht sich)

3) Es gibt Ampeln - diese dienen ebenfalls allenfalls der groben Orientierung. Wenn gerade kein Kreuzungsverkehr kommt, wird auch bei Rot gefahren. Ampeln haben einen Countdown, der anzeigt, wie lange rot oder grün ist. 10 Sekunden bevor die Rotphase zuende ist, fahren die meisten schon wieder und reihen sich in den bereits fließenden Verkehr ein. (wenn vorher überhaupt gestoppt wurde...)

4) Es gibt Zebrastreifen - diese wurden aller Wahrscheinlichkeit nur dazu aufgepinselt, um der heimischen Farbenindustrie Aufträge zu sichern. Zebrastreifen sind immer auch ein Treffpunkt von Touristen, welche verzweifelt und vergeblich darauf warten, dass irgendwer anhält.

Was tun, wenn man nun auf die andere Straßenseite muss? (was gar nicht so selten passiert)
Am besten macht man es wie die Einheimischen: einfach losgehen - klingt komsch, ist aber so - der Verkehr fließt einfach um einen herum. In der Regel passiert auch nichts, da alle Verkehrsteilnehmer dieses Verhalten antizipieren. Wer stehen bleibt verliert. Man könnte es fast "Schwarmintelligenz" nennen.

Was fällt sonst noch auf:




  • Es gibt überall WLAN
  • Straßenhändler preisen ihre Ware nicht mehr nur mit der eigenen Stimmkraft an, Kassette und Lautsprecher sind der neuste Schrei (und dieses Wortspiel passt so unglaublich gut) bis tief in die Nacht laufen die fleißigen Verkäufer mit ihren zu Nudel- und Suppenküchen umfunktionierten Fahrrädern/Mopeds durch die Gassen und beschallen die Umgebung...
  • Verständigung ist umständlich, zwischen ein paar Brocken Englisch, Französisch und Händen und Füßen klappt aber am Ende doch irgendwie alles...
  • Die Fassade des real existierenden Kommunismus glitzert - daneben und dahinter bröckelt es allerdings:


  • Man ist nicht so wirklich auf Menschen über 1,70m Körpergröße vorbereitet.
  • Auch wenn romanische Buchstaben genutzt werden, birgt die westliche Sprache so einige Stolperfallen:
"Trink ich jetzt nen Margarita, nen Margatita oder nen Margatira?"
 
  • Offensichtlich fehlt jegliches Bewusstsein für sowas wie "Umweltschutz"
  • Nie war es so einfach, Millionär zu werden. 1 Euro entspricht 24.000 Dong
  • Sämtliche Verkabelung wird eher kreativ verlegt:

 Dieser Pfosten wird eigentlich nur noch durch die Kabel gehalten...


  • Man ist noch immer mächtig stolz darauf, dass man damals die Amerikaner aus den Land gejagt hat:



Soviel für den Anfang...


Auf das ein oder andere Thema werde ich sicher nochmal zu schreiben kommen...